Fastenzeit

Fastenzeit

Zwischen Karneval und Osterfreud
sind vierzig Tage Fastenzeit.
Da jeder Mensch trägt Schuld und Lasten,
wird ihm nun nah‘ gelegt zu fasten.
Und außerdem soll ganz bescheiden
wer Mist gebaut hat Reue zeigen.
Gar schwierig ist die Christenpflicht
sich zu üben im Verzicht,
einen geeigneten Vorsatz zu finden
und sich daran wochenlang auch zu binden.
Es gibt gar viele Möglichkeiten
die man versuchen kann zu meiden.
Der Leber täte sicher wohl:
„Keinen Tropfen Alkohol!“
Doch sinnlos ist’s, wenn man bestimmt
auch sonst ihn selten zu sich nimmt.
Beliebt ist auch noch beim Entbehren
bloß nichts Süßes zu verzehren
wenn dabei noch ins Auge sticht:
„Das wäre günstig fürs Gewicht!“
Doch darin Buße zu erkennen,
– Ich würd‘ das dann „Diät“ eher nennen.
Ein Anderer könnt‘ sich zugestehen,
die nächste Zeit nicht fernzusehen.
Doch wenn er dafür ganz gewitzt
stundenlang am Computer sitzt,
frag ich mich, ob das gewiß
im Sinne des Erfinders ist.

Auch denk ich mir, welchen Sinn hat das Fasten,
wenn man danach wieder aufnimmt seine Lasten?
Sicherlich mag des Fastens Pein
uns lehren, wieder dankbarer zu sein.
Aber kann es uns nicht noch vielmehr heilen,
das, was wir haben, mit Anderen zu teilen?
Vielleicht will ja die Fastenzeit Gelegenheit schenken,
unser ganzes Leben mal neu zu überdenken.
Doch wie kann das alles funktionieren?
– Vielleicht hilft es ja, dazu die Bibel zu studieren.
Bei Joel les ich ganz gebannt:
„Zerreiß das Herz, nicht das Gewand!“
Ich seh, daß was da auch noch steht
ja gar nicht nur ums Fasten geht.
Da lädt Gott ein, daß wir es wagen,
zu ihm zu kommen mit Weinen und Klagen.
Damit wir vertrauensvoll vor ihn bringen
unser Tun, unser Scheitern, unser Kämpfen und Ringen.
Vielleicht ist es ja das, was der Fastenzeit
ihren tieferen Sinn verleiht?

Was wäre sonst, wenn Christus dann
zu Ostern uns erinnert daran,
daß er überwunden hat Tod und Leiden
und nun bei uns bleibet für alle Zeiten.
Wenn er fragen würde, was habt ihr unternommen,
um mir in der Fastenzeit näher zu kommen,
dieses Wunder immer mehr zu begreifen,
sich einzulassen, zu wachsen, zu reifen

und ich würd‘ nur sagen: „Ich hielt’s für angemessen,
vierzig Tage lang keine Schokolade zu essen.“…

 


Kerstin Grünewald